Bücher für Jugendliche und junge Erwachsene
Brüderchen
»Eine zarte, zerbrechliche Familiengeschichte.« Christine Westermann
Autorin: Clara Dupont-Monod
Rezension: Mechtild Hartz-Riemann
Für den Roman „Brüderchen“ von Clara Dupont-Monod wurde die französische Schriftstellerin mit dem Prix Goncourt des Lycéens und dem Prix Femina 2021 ausgezeichnet. Der Roman war in Frankreich monatelang auf der Bestsellerliste und erschien 2023 im Piperverlag. In dem kargen Gebirge Cavennen in Frankreich lebt eine Familie, bestehend aus Vater, Mutter, Sohn 9 Jahre und Tochter 7 Jahre, in die als drittes Kind das „Brüderchen“ geboren wird. Das Neugeborene ist anders, es kann nicht sehen, sich nicht bewegen, es ist „unangepasst“.
In einer zarten, einfühlsamen Sprache werden die Geschwister des Neugeborenen in drei Kapiteln vorgestellt, wie sie unterschiedlich mit der neuen Familiensituation umgehen. In „der große Bruder“, „die Schwester“ und „der Nachgeborene“ wird eindrucksvoll ihre persönliche Veränderung durch den Tod des Neugeborenen beschrieben, die über ihre eigene Kindheit bis ins Erwachsenenalter hinaus wirkt. Der große Bruder kümmert sich hingebungsvoll, zärtlich und sehr liebevoll um das Brüderchen. Seine Geduld ist grenzenlos, war er doch früher eher unruhig und unbeherrscht. Er ist erfüllt von Zuneigung und Fürsorge. Ständig ist er besorgt um das Wohlergehen des Kleinen und um dessen Sicherheit. Er verliert sich in seiner Hingabe und wird als Erwachsener Liebe stets mit Sorgen verbinden. Die Schwester ist erfüllt von Eifersucht, Abneigung und Wut. Gleichzeitig schämt sie sich für ihr Gefühle. Einsam, alleingelassen und nicht gesehen fühlt sie sich in ihrer Familie. Das Brüderchen beachtet sie nicht, „tilgt es aus ihrem Leben“. Eine zerstörerische Wut steckt in ihr, die sie in ihren jungen Jahren schwer kontrollieren kann. Später wird ihre Mission sein, „den Untergang der Familie zu verhindern“, da alle an ihre Grenzen gekommen sind. Sie wird eine Kämpferin und sich als Erwachsene in ihrer eigenen Familie so verhalten. Der Nachgeborene geht nicht alleine durchs Leben. Seit seiner Geburt trägt er gefühlt „einen Toten mit sich“. Er rebelliert nicht, sondern nimmt sein „Beinahe-Ich“ an. Die Eltern stellen den Nachgeborenen auf ein Podest, es schmeichelt ihm, macht ihn aber auch traurig. Er entschuldigt sich stumm bei seinem Bruder. „Es tut mir leid, deinen Platz eingenommen zu haben.“ „Wenn das Kind nicht gestorben wäre, würde es mich dann trotzdem geben?“ Diese Frage stellt sich der Nachgeborene immer wieder.
Als tätige Begleiterin bei den Königskindern kann ich dieses wunderbare Buch uns allen empfehlen. Es hat mich tief beeindruckt. Die Situation der Geschwisterkinder wird berührend in einer zurückhaltenden, kargen und sehr feinfühligen Sprache beschrieben. Das Geschwistersein endet nicht mit der Kindheit, sondern prägt auch das Leben als Erwachsener. Mich hat die Beschreibung der Brüder und der Schwester als Erwachsene sehr berührt und meinen Blickwinkel auf Geschwister sehr erweitert.
Ein intensives, zartfühlendes, bewegendes Buch.
Einfach so weg
Ein Buch für`s Abschied nehmen, Loslassen und Festhalten, voller Musik,
Geschichten, Rezepte, Platz für Gedanken und vieles mehr.
Autorin: Ayşe Bosse, Andreas Klammt
Rezension: Carmen Rietmann
Einfach so weg – Dein Buch fürs Abschied nehmen, Loslassen und Festhalten ist ein Buch voller Musik, Geschichten und vielem mehr. Der Autorin gelingt in Zusammenarbeit mit Jugendlichen, die selbst Trauer erlebt haben, und der Illustration von Andreas Klammt ein meines Erachtens sehr ansprechendes, buntes Buch. Auf Augenhöhe mit Jugendlichen bietet es ihnen die Möglichkeit, aufbrechende Emotionen in der Trauer wahrzunehmen, zu benennen und diese kreativ zu gestalten – so entsteht ein sehr persönliches Erinnerungsbuch, das Freiraum lässt für das Eigene.
Jeder darf trauern, wie er will. Viele erleben einen Verlust, werden konfrontiert mit intensivsten Gefühlen und haben niemanden, um dies zu teilen. „Einfach so weg“ greift unterschiedliche Emotionen wie z. B. Vermissen, Einsamkeit, Wut, Angst und Mut auf und verknüpft jedes Gefühl mit einem Song, der vorgestellt und als Comic dargestellt wird. Dabei sind die Illustrationen ansprechend, kunstvoll und nicht überladen, vielmehr bilden sie eine Brücke vom Song hin zum beschriebenen Gefühl und der Lebenswelt Jugendlicher. Die Auswahl der Musik ist bunt, mal laut und kraftvoll‐lebendig, mal leise und melancholisch und spiegelt damit wider, was die Autorin, die auch als Trauerbegleiterin arbeitet, in ihrem Vorwort schreibt: „Beim Trauern ist alles erlaubt. Genauso wie wir frei sind, die Musik zu hören, die uns gefällt, oder die Geschichten zu mögen, die uns berühren, sind wir so frei zu trauern, wie wir es fühlen und müssen. (…) Trauer ist bunt (…).“ Und so findet sich zu jedem Gefühl eine kreative Idee oder auch eine Anregung, das eigene Empfinden zuzulassen, weiter zu denken und die eigenen Gedanken oder auch Ideen aufzuschreiben oder zu zeichnen. Auf einer Seite ist z. B. ein Friedhof mit unbeschriebenen Grabsteinen und einem besonders großen Grabstein für die eigene Grabkunst zu finden, auf einer anderen Seite ist Platz für Wutworte, die auf Boxsäcke geschrieben werden können, Platz für die eigene Bucket List (Liste mit Dingen, die man im Leben noch gerne tun möchte) ist auch. Zu jeder Emotion ist zudem eine Trauergeschichte zu lesen, die in Treue zum Gedanken der Autorin, Trauer ist bunt, unterschiedliche Aspekte und Perspektiven von Trauer aufgreift. Mit dieser Auswahl wird ein weiteres Mal die Vielfalt von Trauer zum Ausdruck gebracht und lässt Platz für die dunkle und helle Seite, die ebenfalls im Buch gestaltet werden kann. Auf weiteren Seiten gibt es noch „Witze zum Totlachen“, Zitate Jugendlicher zu ihrer Trauer, einen Trauerkompass, ein Gedicht, Trauertüren, die beschrieben werden können, Platz für Fotos und sehr viel Platz für eigene Gedanken.
Abschließend geben die Jugendlichen, die an diesem Buch mitgewirkt haben, noch ein paar Rezept‐Tipps zum Ausprobieren und eine umfangreiche Liste von Songs, Filmen und Büchern. Ein großartiges Erinnerungsbuch, bei dem mir die Gestaltung und die Ausgewogenheit zwischen Ideen, Anregungen, Geschichten und Kreativseiten mit der Möglichkeit, selbst zu gestalten, sehr gefällt. Ich finde, dass es der Autorin und besonders auch dem Illustrator gelingt, sich in die Jugendwelt einzufinden und Trauer mit ihren unterschiedlichen Emotionen in diese Welt hineinzulassen als einen natürlichen und normalen Prozess. Dass das Buch in Zusammenarbeit mit Jugendlichen, die selbst Trauer erlebt haben, entstanden ist, macht diese Authentizität spürbar.
Für mich ein gelungenes Buch für Jugendliche ab 12 Jahren, die, in welcher Form auch immer, Trauer erleben und anhand dieses Buches ihre eigene, persönliche Trauer noch besser kennenlernen und verstehen können. Die Autorin sagt selbst, das Buch funktioniert für alle, die du liebst. Ob Mensch oder Tier macht keinen Unterschied, Liebe wiegt immer viel und die Spezies ist dabei totale Nebensache.
Marianengraben
Ein Roman übers Sterben, aber vor allem darüber, am Leben zu bleiben
Autorin: Jasmin Schreiber
Rezension: Katrin Beerwerth
Hauptfigur ist Paula, eine junge Frau, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Haupt-motiv ist ihre Trauer um ihren verunfallten und verstorbenen kleinen Bruder Tim. Mit diesem führt sie einerseits immer wieder Zwiegespräche, und andererseits schwelgt sie in Erinnerungen. Paulas Trauer wiegt besonders schwer, da eigene Schuldgefühle die Verarbeitung erschweren. Auch eine Therapie hilft ihr nicht weiter: „In mir breitete sich das Nichts aus, es hatte kein Gefühl, kein Aussehen, keinen Geruch, keinen Klang, keinen Geschmack. ich war ein Menschenkostüm, das nichts enthielt“, so beschreibt sich Paula selbst nach dem Tod ihres Bruders.
Bei einem nächtlichen Besuch an Tims Grab lernt sie den 83 Jahre alten Helmut kennen. Helmut ist ein bisschen grummelig und die beiden sind ein sehr ungleiches Paar. Ihre gemeinsame Reise,
um die Asche von Helmuts verstorbener Frau zu verstreuen, bringt die beiden näher. Auf diesem durchaus komischen Trip in einem alten Wohnwagen hilft der Ältere durch seine Erfahrungen mit dem Tod der Jüngeren, langsam einen neuen Zugang zu ihren Schuldgefühlen zu finden.
Das Buch ist ein bunter Mix aus traurigen, nachdenklichen, skurrilen, philosophischen und
witzigen Szenen. Es wird ab 16 Jahren empfohlen, und für diese Altersstufe finde ich die lockere Schreibweise und den Wechsel zwischen humorvollen und nachdenklichen Elementen gelungen. So bietet das Buch immer wieder Szenen, die einladen, über eigene Trauerprozesse nachzudenken und andererseits gibt es immer wieder Passagen, in denen die Leser*innen durchatmen können. Dabei ist die Handlung an sich schlicht, einfach und vorhersehbar, und es gibt auch keine revolutionären Erkenntnisse zum Thema „Umgang mit Trauer“, aber Jasmin Schreiber erzählt die Geschichte, die schließlich vom Sterben und Tod handelt, mit einer Leichtigkeit, die man dem Thema nicht zutraut.
Ich kann mir vorstellen, dass es für junge Menschen, für die es manchmal schwierig ist, mit Gleichaltrigen über ihre Trauer sprechen zu können, Gedankenanstöße bietet. Durch die Einbettung in den Roadtrip der beiden Akteure und die Entwicklung der Beziehung dieses ungleichen Paares zueinander kommt die Geschichte an vielen Stellen humorvoll und hoffnungsvoll daher, sodass junge Menschen zu diesem an sich „schweren“ Thema leichter Zugang bekommen können.
Und wer sich nun die ganze Zeit gefragt hat, warum das Buch „Marianengraben“ heißt, dem sei gesagt, dass dies eine Tiefseerinne im westlichen Pazifischen Ozean ist, in der die tiefste Stelle des Weltmeeres liegt. Der Marianengraben spielt sowohl im Buch als auch im Leben der Autorin eine Rolle: „Ich habe vor Jahren mal einen häufig geteilten Blogtext darüber geschrieben, wie es ist, aus dem Marianengraben aufzutauchen, aus fast 12 km Tiefe. Dieses Bild fasziniert mich seit jeher, wie die Tiefsee an sich. Ich lebe selbst mit Depression, und wenn ich wieder eine akute Phase habe, habe ich immer den Marianengraben vor Augen. In diesen Phasen erinnere ich mich daran, dass ich da unten nicht allein bin. Dass dort viele Lebewesen herumschwirren, nicht alle freundlich gesinnt, aber eben auch nicht alle feindlich. Und dass ich schwimmen muss.“
Vielleicht kann das Buch auch dem Lebenden ein wenig helfen, wieder zu schwimmen, einen Weg mit der Trauer zurück ins Leben zu finden.
Über Tod und Trauer reden
Kindern und Jugendlichen Sterben, Tod und Bestattung erklären
Autorin: Stephanie Witt-Loers
Rezension: Ruth Werres
Das Therapiekarten-Set „Über Tod und Trauer reden“ wurde von der Trauerfachberaterin und Therapeutin Stephanie Witt-Loers entwickelt. Es ist sowohl für den professionellen als auch den privaten Kontext entwickelt worden und kann überall da, wo Menschen trauernde Kinder begleiten, eingesetzt werden. Auf der Vorderseite der insgesamt 70 Karten ist ein Foto, welches einen Begriff aus dem Bereich Tod, Trauer und Abschied darstellt, abgebildet. Auf der Rückseite der Karten gibt es dann eine ausführliche Erklärung. Verschiedene Icons geben weitere Hinweise zur Benutzung der Karten. So gibt es beispielsweise ein Symbol für Karten, welche sich auf Ressourcenarbeit fokussieren oder eines für solche, die Trauerreaktionen beschreiben.
Die Karten beinhalten sowohl Sachwissen als auch Impulse. Aufgeklärt wird zum Beispiel über Rituale, Trauerkulturen in verschiedenen Religionen, unterschiedliche Formen der Beisetzung und Gegenstände oder Bräuche, die in der Zeit der Trauer Trost spenden können. Ebenfalls gibt es Karten, die sich mit der Rolle eines Bestatters, mit Vorsorgevollmächten und dem Erbe beschäftigen. Auch Fragen wie „Was passiert eigentlich mit mir, wenn Mama und Papa sterben?“ werden aufgegriffen. Die Karten decken somit eine große Bandbreite an Themen ab und können gezielt oder spielerisch eingesetzt werden. Am Ende der Texte geben Hinweise einen Einblick auf weiterführende Informationen oder Möglichkeiten, das Thema zu reflektieren.
In dem Begleitheft erhalten Erwachsene eine Übersicht und Einführung in das Thema, z. B. werden Trauerreaktionen und Traueraufgaben von Kindern und Jugendlichen erklärt, außerdem gibt es Informationen zur Anwendung der Karten und wissenschaftliche Hintergründe. Die Informationen sind sehr ausführlich und können für Menschen, die nicht zum Fachkreis gehören, viel sein.
Die Auswahl der Fotos auf den Karten wirkt teilweise wenig zum Thema und auf die Zielgruppe Kinder ausgerichtet. So finde ich zum Beispiel das Bild eines Jungen, der traurig in die Ferne guckt, eher unpassend zu der sachlichen Erklärung von Begriffen wie Bestattung, Beisetzung, Beerdigung etc. Andere Karten, wie eine mit dem Foto eines bunt bemalten Sarges zum Thema „Sarg bemalen – Trauerarbeit in Gemeinschaft“, wirken stimmiger und für Kinder ansprechender.
Insgesamt empfinde ich die Karten aber als ein hilfreiches Instrument, um mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und diese durch herausfordernde Zeiten zu begleiten. Empfehlen würde ich sie eher an Fachpersonal oder an Familien mit bereits etwas älteren Kindern.
Als mein Bruder ein Wal wurde
Autorin: Nina Weger
Rezension: Yvonne Storcks
Altersempfehlung: 10-12 Jahre
„Manchmal, wenn ich abends im Bett lag, stellte ich mir vor, dass Julius wie ein riesiger Wal durch die Tiefen des Ozeans glitt.“
Darf man über das Leben eines anderen bestimmen? Das ist die zentrale Frage dieses Buches, das eine Altersempfehlung von 10–12 Jahren hat. Es geht um Bela, dessen älterer Bruder Julius nach einem Unfall im Wachkoma liegt. Nach und nach wird die Hoffnung, dass er daraus erwacht, immer kleiner. Je länger das Wachkoma von Julius andauert, desto mehr zerbricht die Familie und desto kleiner wird die Hoffnung, dass alles wieder gut werden wird. Irgendwann ist schließlich der Punkt erreicht, dass über Julius Weiterleben entschieden werden muss.
Nina Weger schildert einfühlsam und kindgerecht, was dieses schreckliche Ereignis mit der Familie macht. Obwohl die Eltern von Beruf Bestatter sind, ist die eigene Betroffenheit und die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem Sterben innerhalb der eigenen Familie zunächst eine überfordernde Situation, auf die jeder anders reagiert. Während der Vater die Situation eher verleugnet, versucht sich die Mutter daran anzupassen und sich in ihren ältesten Sohn hineinzuversetzen, um in seinem Sinne eine Entscheidung zu treffen.
Das Hauptaugenmerk im beschriebenen Buch liegt allerdings auf Belas Perspektive der Dinge. Er stellt sich die Frage, inwieweit jemand über ein anderes Leben entscheiden kann. Von seiner neuen Freundin Martha erfährt er, dass nur der Papst in so einem Fall weiß, was richtig und was falsch ist. Er vertritt schließlich den Gott auf unserer Erde, er muss es also wissen. Bela und Martha reißen von zu Hause aus und machen sich auf nach Rom, zum Papst. Ganz alleine, mit ein bisschen Bargeld und einer gestohlenen Kreditkarte, begeben sich die beiden auf eine abenteuerliche Reise durch Deutschland und Österreich. Der Weg, der symbolisch für den Auseinandersetzungsprozess mit der Situation gesehen werden kann, ist alles andere als einfach, aber Bela und Martha denken in keiner einzigen Sekunde ans Aufgeben. Letztendlich wird Bela nach der langen Suche nach „der Wahrheit“ klar, dass es in diesem Falle kein Richtig und kein Falsch gibt. Dass es um ein Aushandeln geht, das erst jedes Familienmitglied mit sich selbst tut und dann alle miteinander, um eine Entscheidung im Sinne von Julius treffen zu können. Diesen Prozess muss schließlich jedes Familienmitglied für sich durchleben und aushalten.
Durch die empathische Umgangsweise mit dem nicht einfachen Thema, und dadurch, dass manche Aspekte durchaus mit Humor betrachtet werden, schafft es die Autorin, den Leser abzuholen und behutsam mit auf die Reise zu nehmen, die durchaus berührt, aber keine belastende Schwere entstehen lässt. Auch aus diesem Grund empfehle ich das Werk von Nina Weger sowohl Kindern ab 10 Jahre als auch Erwachsenen. Es bietet mit Sicherheit auch eine gute Grundlage für Gespräche über die Wünsche aller Familienmitglieder im Leben wie im Sterben.
Gegen die Angst
Autorin: Regine Stokke
für Jugendliche
Die Autorin Regine erfährt mit 17 Jahren, dass sie eine schwere Form einer Leukämie hat. Schon schnell erklären ihr die Ärzte, dass sie unheilbar erkrankt ist, aber Regine ist eine Kämpferin und sie gibt nicht auf. In ihrer Auseinandersetzung mit der Krankheit fängt sie an zu bloggen (ein Blog ist ein öffentliches Tagebuch im Internet). Ihr Blog wird über einen langen Zeitraum der zweithäufigst besuchte Blog in ihrer Heimat Norwegen. Und nicht nur Jugendliche, nein Menschen jeder Altersschicht nehmen Anteil und schreiben Regine. In dem Buch werden ihre Nachrichten und auch ausgewählte Kommentare dargestellt.
Regine denkt sehr sensibel und weitsichtig über ihr Leben nach. Sie probiert trotz aller Rückschläge, die sie zunehmend erleidet, das Leben zu genießen. Ihr liebstes Hobby ist mir ihrer besten Freundin Eli Ann Festivals zu besuchen, ihr Herz schlägt für Heavy Metal. Aber auch die Kunst bedeutet ihr sehr viel und so streift sie durch die Natur und fotografiert. Ihre Fotos finden weiten Anklang und werden sogar ausgestellt. Auch beim Malen kann sie abschalten und Energie tanken. Ihre Fotos und Bilder sind sehr beeindruckend und runden das Buch ab.
Regine lässt uns Anteilnehmen in ihrer Auseinandersetzung und ihr Ringen mit Leben und Tod. Ihr enges Familienband, ihre Freundschaften und auch die vielen aufmunternden und teilnehmenden Kommentare aus ihrer Bloggergemeinde können sie immer wieder auffangen.
Leider verschlimmert sich ihr Gesundheitszustand zunehmend, so dass Regine und ihre Familie 2009 das Weihnachtsfest vier Wochen vorverlegen. Am 03.12. verstirbt Regine zu Hause im Beisein ihrer Familie und ihrer Katze. Das Buch schließt mit „letzten“ Grüßen der Familie und der engsten FreundInnen ab. 9000 Leser senden Regine einen letzten Gruß.
Regine bewegte durch ihren Blog die Menschen und brachte sie dazu, über das Leben nachzudenken und sich für kranke Menschen zu engagieren (bspw. nahm die Blut- und Knochenmarkspende Dank Regines Aufrufen zu).
Mich persönlich hat ihr Buch sehr berührt und nachdenklich gestimmt. Regine ist eine junge Frau gewesen, vor der ich den Hut ziehe und die noch heute diese Welt bereichert. Danke, Regine!
Klaras Kiste
Rezension: Königskinder
Altersempfehlung: 10-12 Jahre
Klara Meinert, Klassenlehrerin einer vierten Klasse , kommt nach wochenlanger Krankheit zurück in die Schule und teilt den Schülern und Schülerinnen ihrer Klasse mit , dass sie nicht mehr lange zu leben habe.
Die Kinder sind geschockt. Sie können es nicht glauben und reagieren mit unterschiedlichen Gefühlen wie Wut, Traurigkeit, Angst und Fassungslosigkeit. Frau Meinert schlägt vor – auch wenn sie nicht mehr unterrichten kann – noch Zeit mit ihrer Klasse zu verbringen, indem sie sich im hinteren Teil des Klassenzimmers ein kleines Urlaubsparadies einrichtet.
Mit Hilfe der Kinder entsteht dort ein Urlaubsort mit Liegestuhl, Sonnenschirm und vielen bunten Liebenswürdigkeiten, welche die Kinder mitbringen. Regelmäßig sitzen die Kinder nun auf Strandtüchern um den Liegestuhl versammelt und lauschen einer Geschichte, die Frau Meienrt bisher allen Kindern erzählt hat.
Noch vor den großen Sommerferien verabschiedet sich Frau Meinert von ihrer Klasse, da sie zunehmend schwächer wird, und die restliche Zeit , die ihr noch bleibt zuhause verbringen möchte.
Die Kinder der Klasse können nicht begreifen, dass sie Frau Meinert für immer verlieren werden und hoffenauf ein Wunder. In der Erkenntnis, dass dieses nicht eintreten wird, überlegen sie fieberhaft , welches Geschenk sie ihrer Lehrerin noch machen können. Das bereits gekaufte Buch mit den „schönsten Urlaubszielen“ finden sie unpassend. Nach langen Überlegungen kommt Julius, einer der Protagonisten des Romans, auf die Idee, einen Sarg für Klara Meinert zu bauen, auf dem sich alle Schüler und Schülerinnen der Klasse verewigen können. Mit Hilfe seines wortkargen und griesgrämigen Opas kann die Klasse die Idee umsetzen.
Der Roman endet damit, dass die Kinder den Sarg mit Hilfe einer Sackkarre zu Frau Meinert transportieren und ihrem Mann überreichen. Frau Meinert selbst kann das Bett nicht mehr verlassen, sie liegt im Sterben.
Sie kann die Kinder aber noch hören. Ihr Mann berichtet ihr , dass die Kinder ihrer Klasse ein ganz besonderes Geschenk vorbeigebracht haben, dass sie auf ihrer Reise begleiten wird.
Ein wunderbares Kinderbuch, dass sich dem Thema Sterben mit facettenreichen Gefühlen widmet und dabei auch humorvoll ist. Auch wenn der Tod einen wesentlichen Teil des Buches einnimmt, werden auch andere Lebenswelten von Kindern nicht ausgeblendet. Freundschaft, Streit, Familie, Trennung der Eltern …
Besonders gut hat mir gefallen, dass die Autorin sich das Sterben einer Lehrerein und nicht eines Elternteiles zum Thema gewählt hat.Somit gerät nicht ein einziges Kind in den Fokus , die ganze Schulklasse ist gleichermaßen betroffen. Dadurch werden die Gefühle und Reaktionen kindlicher Trauer besonders deutlich.
Wie lange dauert Traurigsein?
Rezension: Maike Biermann
Wie lange dauert Traurigsein? Ein Buch für alle, die jemanden verloren haben-dieses Buch wurde von der Psychologin Maria Farm geschrieben und ist 2014 im Oetinger Verlag erschienen.
Die Autorin richtet sich mit ihrem Buch in erster Linie an trauernde Jugendliche im Alter von 9-11 Jahren. Sie berichtet dabei immer wieder von ihren Erfahrungen, die sie mit Jugendlichen in ihrer Praxis als Therapeutin gemacht hat und greift Beispiele auf.
Das Buch ist in mehreren Teilen aufgebaut und beschreibt im ersten Teil, welche Gefühle in der Trauer um einen verstorben Menschen möglich sind. Gefühle in dieser Zeit sind „gestreift“ und dürfen kommen und gehen. Irgendwann werden die helleren Streifen immer breiter. In einem zweiten Teil geht die Autorin ausführlich darauf ein, was der Tod ist und welche Situationen Jugendliche in Trauer versetzen können. Sei es beispielsweise durch den Tod eines Elternteils, eines Geschwisterkindes, von Freunden oder auch durch Suizid im Umfeld. Sie spricht die Jugendlichen immer gezielt an und versteht es sehr gut, die Sprache der Jugendlichen aufzugreifen. In einem dritten Teil beschreibt sie die 5 Trauerphasen und macht diese an gut nachvollziehbaren und verständlichen Beispielen für Jugendliche sehr greifbar. Immer wieder geht sie dabei auf die Gefühlswelt ein und hilft zu verstehen, was Trauer eigentlich ist. Trauer geschieht in Wellen, manchmal trägt sie nach vorn und im nächsten Moment zieht der Sog wieder ein Stück zurück. In einem weiteren Teil geht die Autorin auf die Zeit ein, in der sich die Situation etwas stabilisiert und die Abstände der tiefen Trauer immer größer werden. Sie zeigt die Hoffnung auf, die es auf dem Weg der Trauer gibt. Die Erinnerung an den verstorbenen Menschen wird immer wehtun aber irgendwann wird es möglich sein schmerzhafte Gedanken schneller weiterziehen zu lassen. Weiterhin gibt sie durchgängig gute und hilfreiche Tipps, was Jugendliche tun können, um sich in so einer schwierigen Situation nicht isoliert zu fühlen, sowie viele praktische Tipps zur Aufarbeitung des Todes eines geliebten Menschen. Die Autorin betont, wie wichtig es ist, sich Erwachsenen anzuvertrauen und nennt darüber hinaus wichtige Adressen, an die Jugendliche sich wenden können, um schnell Hilfe zu bekommen.
Auch für die Eltern der betroffenen Jugendlichen ist dieses Buch eine sehr gute und hilfreiche Lektüre und kann vielleicht als Grundstein für ein gemeinsames Gespräch mit seinem Kind genutzt werden.
Ein rundum gelungenes Buch, das mich aufgrund der sehr treffenden Ansprache der Zielgruppe stark fasziniert hat und einen wichtigen Beitrag in der Arbeit mit trauernden Jugendlichen leistet.
Es sind die Wolken, die die Sterne bewegen
Rezension: Anke Konermann
Dieses Buch ist eine Geschichte über den Tod, die Trauer, das Leben und die Freundschaft. Eine Geschichte, die einem deutlich macht wie sehr der Tod eines nahestehenden Menschen das ganze Leben einer Familie verändern kann. Maria ist 11 Jahre alt als sie durch eine Krebserkrankung ihren neunjährigen Bruder Pilten verliert. Seit ihr Bruder tot ist, ist nichts mehr so wie es war.
Die ganze Familie hat sich verändert. Ihre Eltern reden kaum noch mit ihr und ihre Mutter fällt in eine tiefe Depression. Maria gibt sich die Schuld am Zustand ihrer Mutter. Sie wird immer schweigsamer und fühlt sich völlig allein auf der Welt. Sie hätte so gerne jemanden zum Reden!
Als sie die Sommerferien bei den Großeltern verbringt, lernt sie Jakob kennen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten, hervorgerufen durch Marias große Verunsicherung, wird er ihr Freund. Ein Freund, der ihr zuhört und sie versteht. Ein Freund, der Maria zeigt, dass das Leben trotz allem noch Spaß machen kann. Ein Freund, der es schafft, die Isolation der Familie aufzubrechen, so dass diese lernen kann mit der Trauer zu leben und einen neuen Anfang zu finden.
Dieses wunderbare Buch ist sehr lebensnah geschrieben und ermöglicht auch Erwachsenen sich in die Gefühlswelt eines Kindes nach einem schweren Verlust hineinzuversetzen. Es werden keine Altersangaben benannt, meiner Meinung nach zum Vorlesen ab 8 Jahren, zum selber lesen ab 10 Jahren.
Dieses Buch hat mich zutiefst berührt. Es ist eine wundervolle Geschichte, die ich nicht vergessen werde. Die Autorin schreibt so fesselnd, intensiv und lebensnah, dass ich mich von der ersten bis zur letzten Seite mit Maria identifizieren und all ihre Gefühle nachempfinden konnte. Ich glaube, jeder der dieses Buch liest, wird sich anschließend bewusst, wie schön es ist und wie dankbar man sein muss, Menschen um sich zu haben, denen man alles anvertrauen kann und mit denen man lachen und weinen kann.
Für mich wird in diesem Buch ganz besonders deutlich wie wichtig es ist, Menschen und insbesondere Kinder in ihrer Trauer nicht allein zu lassen.
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Rezension: Hannah Scheelje
Es gibt längere und kürze Unendlichkeiten. In dem Buch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ erzählt John Green die Geschichte einer kurzen Unendlichkeit.
Der Leser taucht ein in die Welt von Hazel Grace Lancester: Die 16jährige Hazel ist an Krebs erkrankt und legt ihre Wege nur in Begleitung ihres Sauerstoffwagens Philipp zurück. Das, was sie am wenigsten will ist Mitleid, sarkastisch spricht sie vom Krebsbonus und die belehrenden Weisheiten über das Leben und den Tod ist sie längst leid. Hazel hat nicht resigniert. Sie macht sich ihre eigenen Gedanken über das Universum, die Rolle der Menschen und ihren Platz darin.
Ihre Eltern, unermüdlich auf das Wohlergehen ihrer Tochter bedacht, schicken sie eines Tages in eine Selbsthilfegruppe für an Krebs erkrankte Jugendliche. Hier – im buchstäblichen Herzen Jesus – verbringt Hazel nur sehr widerwillig Zeit mit anderen Betroffenen.
Lediglich mit Isaac verbindet sie etwas: Seufzen, Kopfschütteln, das gemeinsame Warten auf das Ende der deprimierenden Gruppenveranstaltung. Doch als eines Tages August Waters im Stuhlkreis der Gruppe erscheint, ändern sich die Dinge.
Neben der Dauerlektüre ihres Lieblingsbuches „Ein Herrschaftliches Leiden“ bekommen immer mehr andere Ereignisse Platz in ihrem Leben. Neben „Ein Herrschaftliches Leiden“, wohl bemerkt, denn Hazel und August begeben sich auf die Suche nach dem mysteriösen Ende des Buches, welches mitten im Satz endet. Auf 258 Seiten erlebt der Leser gemeinsam mit Hazel, August und Isaac die Höhen und Tiefen eines etwas anderen Teenagerlebens. Zwischen den Seiten wird viel gelacht, philosophiert, gefühlt, geliebt, Computer gespielt, gelesen – und vor allem: Es wird gelebt. Denn „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ist keine Geschichte vom Krebs, Krebsbefunden und Krebstherapien, auch wenn diese eine grundlegende Rolle für alle Beteiligten spielen. Es geht nicht um das ungelebte Leben, um hätte-wäre-wenn-Gespräche sondern das Jetzt und Hier. Es geht um unangezündete Zigaretten, um Basketball, um Amsterdam, das Universum, die Angst vorm Vergessen werden – und eben um längere und kürzere Unendlichkeiten.
Der Einblick in das Leben von Hazel und allem, was sie umgibt, lässt den Leser mitfühlen, lachen und weinen. Hazels Art und Weise durch die Welt zu gehen, trotz des unvermeidlichen Endes durch ihre Krankheit, ermutigen und regen zum Nachdenken an, zeigen Möglichkeiten, Chancen, kleine Wunder auf – aber auch Grenzen und Schmerz. Denn „das ist das Problem mit dem Schmerz“, sagt August Waters, „Er will gehört werden.“ Die Geschichte von Hazel und allen Menschen, denen sie begegnet, ist vom Autor erfunden – doch „sich zu fragen, ob eine Geschichte auf Ereignissen in der Wirklichkeit beruht, kommt weder einem Roman noch seinen Lesern zugute. Derartige Versuche untergraben die Idee, dass erfundenen Geschichten Bedeutung haben, eine Idee, die mehr oder weniger die Grundlage unserer Spezies ist“. Dieser Vorbemerkung des Autors John Green in seinem Buch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ist nichts mehr hinzuzufügen.
Wie ich zum besten Schlagzeuger der Welt wurde und warum
Rezension: Anke Konermann
Jugendbuch
Zum Autor: Jordan Sonnenblick war viele Jahre Englischlehrer, spielt Schlagzeug und wollte schon immer Schriftsteller werden. Erlebt mit seiner Frau und Kindern in Pennsylvania. Sein Buch schaffte es in Amerika aus dem Stand auf die Bestenliste. Das Buch wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Geschrieben ist das Buch aus Sicht eines 13 jährigen Jungen namens Steven. Steven, ein normaler pubertierender Teenager, ist leidenschaftlicher Schlagzeugspieler. Er verbringt die meiste Zeit des Tages damit, auf seinem Schlagzeug zu üben oder sich Gedanken über das schönste und intelligenteste Mädchen der ganzen Schule zu machen.
Seine Welt steht Kopf als sein kleiner Bruder Jeffrey plötzlich an Krebs erkrankt. Alles fing an dem Morgen an, an dem Jeffrey vom Stuhl fiel und fürchterlich blutete. Steven quält sich mit Vorwürfen da er nicht richtig aufgepasst hat. Er macht sich die größten Sorgen, dass Jeffrey genäht werden muss oder eine schwere Gehirnerschütterung hat und er aufgrund dessen Hausarrest bekommt. Fast erleichtert ist er, als er hört, dass Jeffrey „nur“ Leukämie hat.
Schnell merkt er, dass im Vergleich zur Leukämie eine Gehirnerschütterung doch gar nicht so schlecht gewesen wäre. Zitat: “Ich fand es unglaublich, dass diese Krebsgeschichte an einen einzigen Tag den ganzen Planeten auf den Kopf stellte“. Seine Eltern konzentrieren sich völlig auf Jeffrey und bemerken nicht, dass es Steven immer schlechter geht. Steven fühlt sich allein gelassen. Er bemitleidet sich selbst und flüchtet sich in seine Musik.
Da Steven seinem Bruder so gar nicht helfen kann, fühlt er sich unendlich hilflos. Eine Lehrerin rät ihm – anstatt sich mit Dingen zu quälen die er nicht ändern kann – sich mit Dingen zu befassen DIE er ändern kann. Da merkt Steven, dass sein Bruder ihn braucht und wie wichtig es ist, für Jeffrey da zu sein.
Ein außergewöhnliches Buch das man kaum aus der Hand legen kann. Es liest sich wie das Tagebuch eines 13-jährigen Teenagers. Das Buch ist mit unglaublich viel Humor geschrieben. Gleichzeitig gelingt es dem Autor auf sensibler Weise Einblicke in die Gefühlswelt eines Geschwisterkindes zu ermöglichen. Ein sehr gelungenes Jugendbuch – zum Lachen und zum Weinen.